ASO-Therapien 2/3: Wie es auf molekularer Ebene funktioniert
- 9. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Vom Gen zum Protein: Der normale Weg
Um die ASO-Therapie zu verstehen, muss man zunächst begreifen, wie unsere Zellen Proteine herstellen. Alles beginnt im Zellkern mit der DNA, unserem permanenten „Rezeptbuch“. Benötigt eine Zelle ein Protein, liest sie die DNA nicht direkt ab. Sie erstellt eine temporäre Kopie, die sogenannte Boten-RNA (mRNA), ähnlich wie beim Kopieren eines Rezepts für die Küche.
Zwischen DNA und mRNA findet das sogenannte Spleißen statt: Die Zelle schneidet die überflüssigen Abschnitte (Introns) heraus und behält die nützlichen Abschnitte (Exons). Das ist vergleichbar mit dem Bearbeiten eines Videos: Die guten Szenen werden behalten, der Rest entfernt. Schließlich wird die mRNA in ein Protein übersetzt, das die eigentliche Funktion in der Zelle übernimmt.

Die drei ASO-Strategien
🟣 Blockübersetzung
Das ASO bindet an die mRNA und verhindert deren Ablesung.
Ergebnis: Es wird weniger oder gar kein Protein produziert. Nützlich, wenn das mutierte Protein toxisch ist.
🟠 Spleißen modifizieren
Die ASO kann spezifische Sequenzen maskieren oder freilegen, um zu verändern, wie Exons ein- oder ausgeschlossen werden. Dies führt zu einem modifizierten, aber teilweise funktionsfähigen Protein.
Zwei Ansätze:
Exon-Skipping: Erzwungener Ausschluss eines problematischen Exons, um ein kürzeres, aber funktionsfähiges Protein zu erzeugen.
Duchenne-Beispiel: Das mutierte Exon wird übersprungen, um verkürztes, aber nutzbares Dystrophin zu erzeugen.
Exon-Inklusion: Erzwingen der Einbeziehung eines vorteilhaften Exons, das normalerweise übersprungen würde.
Spinraza-Beispiel (SMA): Modifizierung des SMN2-Gen-Spleißens, um Exon 7 einzuschließen und so ein funktionsfähigeres Protein zu erzeugen.
🟢 mRNA abbauen
Das ASO rekrutiert ein Enzym (RNase H), das die mRNA vollständig zerstört. Ein radikaler Ansatz zur Eliminierung eines toxischen Proteins.
Technische Herausforderungen
Verabreichung : ASOs müssen die richtigen Zellen erreichen. Im Gehirn erfolgt die Injektion intrathekal direkt in die Zerebrospinalflüssigkeit.
Spezifität : Risiko der Bindung an andere ähnliche mRNAs. Forscher entwerfen daher sehr präzise Sequenzen und testen diese ausgiebig.
Wirkungsdauer : ASOs werden mit der Zeit abgebaut. Spinraza muss nach der initialen Phase lebenslang alle 4 Monate injiziert werden.
Was für die Entwicklung einer ASO-Therapie benötigt wird
Die Voraussetzungen:
🟢 Kenne die genaue Gensequenz
🔴 Den Mechanismus verstehen: Funktionsgewinn oder Funktionsverlust?
🔴 Relevante Spleißstellen identifizieren
🔴 Zelluläre und tierische Modelle für Tests vorhanden
🔴 Wissen, welche Gewebe betroffen sind
Und was ist mit LMBRD2?
Was wir haben:
🟢 Die Gensequenz
Was uns fehlt:
🔴 Die Funktion des LMBRD2-Proteins
🔴 Der Mechanismus: Funktionsgewinn oder Funktionsverlust?
🔴 Zuverlässige Zell-/Tiermodelle
🔴 Verständnis der betroffenen Gewebe
Warum blockiert das? Ohne Kenntnis des Mechanismus ist es unmöglich, die richtige ASO-Strategie zu wählen. Funktionsverlust ≠ Funktionsgewinn = völlig unterschiedliche Strategien.
Warum wir nicht für immer blockiert sind: Moderne Technologien wie RNA-Sequenzierung, CRISPR-Screening und induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) beschleunigen unsere Fähigkeit, diese Fragen zu beantworten. Die Grundlagenforschung, die einst Jahrzehnte dauerte, kann nun deutlich schneller voranschreiten.

Weitere Therapieoptionen
ASOs sind nur ein Werkzeug unter vielen:
🟣 Gentherapie → Bereitstellung einer funktionsfähigen Kopie des Gens (bei Funktionsverlust)
🟠 Kleine Moleküle → Klassische Arzneimittel, einfachere Verabreichung
🔵 CRISPR → Mutation in der DNA direkt korrigieren (noch in der Entwicklung)
🟢 Alternative Therapien → Wenn wir verstehen, was fehlt, können wir es anders bereitstellen.
Abschluss
ASOs greifen in die Boten-RNA ein, um die Proteinproduktion zu verändern. Das ist ein wirksames Mittel, erfordert aber ein präzises Verständnis der Krankheitsbiologie. Für LMBRD2 hat die Grundlagenforschung weiterhin Priorität: das Verständnis der Genfunktion, der Mutationsmechanismen und der betroffenen Gewebe. Erst dann können wir beurteilen, ob ASOs der geeignete Ansatz sind. Diese Grundlagenforschung ist keine Zeitverschwendung: Sie ist das Fundament, auf dem jede zukünftige Therapie aufbauen wird.
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